Mit Mitte 20 kam Simon Hoyden kaum durch den Tag, ohne den Großteil des Nachmittags schlafend zu verbringen. Sein Schlafrhythmus war so gestört, dass er erst am Abend wieder aufwachte, nur um den Rest der Nacht wach zu bleiben und morgens wieder einzuschlafen.
„In manchen Nächten lag ich am frühen Morgen zwei bis drei Stunden wach, bevor ich gegen sechs Uhr morgens wieder eingeschlafen bin. Mein Schlafrhythmus war völlig gestört. Es war schwierig, da wieder herauszukommen“, sagt Simon Hoyden, der 2015 Duathlon-Weltmeister wurde. „Ich wünsche das niemandem.“
Die Suche nach dem Grund für seine Schlafstörungen führten ihn von einem Arzt zum anderen. Die häufigste Antwort war: „Es ist ein psychisches Problem.“
Aber ein gestörter Schlafzyklus war nicht das einzige gesundheitliche Problem, mit dem er zu kämpfen hatte. Als Läufer und Triathlet häuften sich bei Hoyden die Verletzungen von Sehnen- über Schleimbeutelentzündungen hin zu Schienbeinkantensyndrom. Außerdem hatte er ein geschwächtes Immunsystem, wodurch er ständig krank war. Und als wäre das nicht genug, kamen später auch eine Schilddrüsenunterfunktion und Nebennierenschwäche hinzu.
Im Laufe der Jahre besuchte Hoyden um die 15 verschiedene Ärzte, aber keiner konnte ihm eine eindeutige Diagnose geben – bis er auf eine Heilpraktikerin stieß, die ein chronisches Erschöpfungssyndrom diagnostizierte. Der darunterliegende Grund für seine extreme Müdigkeit und Verletzungsanfälligkeit war jedoch ein jahrelanges relatives Energiedefizit im Sport (RED-S).
„Es begann im Alter von 14 oder 15 Jahren, als ich bei dem örtlichen Leichtathletikverein anfing“, sagt Hoyden. „Wir haben Tempoläufe gemacht und in dem Alter wusste ich nicht, wie ich diese Einheit richtig verpflege. Ich habe also zwei oder drei Stunden am Tag trainiert und habe erst richtig gegessen, wenn ich eine Heißhungerattacke bekam.“

Hoyden lief als 17-Jähriger 33 Minuten auf zehn Kilometer, doch vier Jahre später, mit 21, blieb die Uhr immer noch nach 33 Minuten stehen, wenn er die Ziellinie überquerte.
„Irgendwann habe ich einfach aufgehört, mich zu verbessern“, sagt er. „Ich war extrem müde und musste mich zu jedem Training schleppen. Das hat dann auch nicht mehr Spaß gemacht.“
Wenn sich ein Sportler nicht mehr weiterentwickelt, wird normalerweise zuerst das Training analysiert, deshalb wechselte er für bessere Trainingsbedingungen sogar sein Team und seinen Trainer.
„Ich dachte immer, mein Training sei der Grund dafür, dass ich nicht schneller wurde“, sagt er. „Aber ich habe mir nie die Frage gestellt, ob ich genug Energie zuführe, um mein Training zu verpflegen.“
RED-S ist nicht immer leicht zu diagnostizieren, weil die einzelnen Symptome nicht als Teil des Ganzen gesehen werden. Oft bleibt ein Energiedefizit unerkannt, weil man es dem Sportler nicht unbedingt ansieht. „Ein Energiemangel bedeutet nicht, dass man dünn sein muss“, sagt Hoyden. „Ich war immer eher ein athletischer Körpertyp, der viele Muskeln hat. Wenn es mir echt schlecht ging, sah ich eher aufgequollen aus, weil ich Wassereinlagerungen hatte und dann wurde auch oft gesagt, dass ich dicke Oberschenkel habe.“
Wenn die Energiezufuhr nicht dem Energieverbrauch entspricht, steht der Körper unter enormem Stress, weil er nicht genügend Ressourcen bekommt, um vom Training zu regenerieren. Daraufhin fährt der Körper den Stoffwechsel herunter und biologische Systeme wie der Verdauungstrakt, das endokrine System oder das Immunsystem laufen auf Sparflamme.
„An diesem Punkt bekommen Sportler Überlastungsverletzungen, weil ihr Körper die unzureichende Energiezufuhr nicht kompensieren kann“, sagt Hoyden.
Bei Frauen hat das Herunterfahren des Stoffwechsels noch eine weitere Auswirkung auf den Körper: ein Östrogenmangel und der Ausfall des Menstruationszyklus. Dies wirkt sich auch auf den Knochenstoffwechsel aus, was zu einer Verringerung der Knochendichte und letztendlich zu Stressfrakturen führt.
„Der Körper kann einen Energiemangel jahrelang aushalten und der Sportler merkt nicht einmal, dass etwas nicht stimmt. Vor allem wenn man sehr ehrgeizig ist, ist es einfach, diese Signale zu überhören“, sagt Hoyden. „Und wenn man erst einmal an dem Punkt ist, an dem es kein Zurück mehr gibt, dann kann man sich auf einen langen Erholungsprozess einstellen.“

Die Suche nach der richtigen Diagnose und Behandlungsmethode war für Hoyden nicht nur eine Geduldsprobe, sondern auch mit Kosten von mehreren tausend Euro verbunden.
„Das geht nicht von heute auf morgen“, sagt er. Der Beginn der Therapie in 2017 bedeutete auch eine starke Alltagsumstellung, weil einige Essens- und Trainingsgewohnheiten auf den Kopf gestellt wurden. Mit Hilfe von Ernährungsberatung fand er heraus, wie viel Nahrung er tatsächlich braucht und – was noch wichtiger ist – wie viel Kohlenhydrate, Fette und Eiweiß seine Ernährung enthalten sollte.
„Es gibt Kohlenhydrate und Fette, die uns mit Energie versorgen und unseren Körper am Laufen halten. Und dann gibt es noch Eiweiß, das wir brauchen, um unser Haus, also unseren Körper, zu bauen“, erklärt Hoyden. Wenn einer oder zwei dieser Makronährstoffe fehlen, sinkt unsere Leistungsfähigkeit.
Ein weiterer weit verbreiteter Fehler in der Trainingsplanung ist das Nüchterntraining. Hoyden empfiehlt Training auf leerem Magen nur in geringem Umfang und bei Hochleistungssportlern, bei denen die Trainingsplanung auf das Nüchterntraining angepasst ist.
„Bei mir hat das Nüchterntraining zu extremen Leistungsverlust und Müdigkeit geführt, weil es einen Energiemangel provoziert hat. Dies kann der Körper bis zu einem gewissen Punkt kompensieren, aber ob dies langfristig zu einer positiven Leistungsentwicklung führt lasse ich dahingestellt“, sagt er.
Mittlerweile arbeitet Hoyden als Trainer und gibt sein Wissen an Sportler weiter, die sich ebenfalls fragen, woher ihre extreme Müdigkeit oder nächtliche Heißhungerattacken kommen. Für Hoyden gibt es eine einfache Antwort: „Wann tankst du dein Auto, bevor oder nachdem du in den Urlaub fährst?“
Der Körper ist wie ein Tank, der aufgefüllt werden muss, bevor er sich auf den Weg machen kann. So macht das Training nicht nur mehr Spaß, sondern beugt langfristig auch Verletzungen und Krankheiten vor.
Hoyden rät seinen Sportlern auch, sich ausreichend vom Training zu erholen. „Mitte 20 habe ich irgendwann beschlossen, einen Trainer selbst zu bezahlen. Auf einmal habe ich einen Plan bekommen mit zwei Ruhetagen. Zuerst dachte ich, mein Trainer will mich verarschen“, sagt er. „Aber jetzt, wo ich meinen eigenen Trainerschein habe, verstehe ich, warum diese Ruhetage auf dem Plan waren.“
Um sich von seinem Erschöpfungssyndrom zu erholen legte Hoyden eine Pause vom Ausdauersport ein und beschloss in die Fitnesswelt einzusteigen. Im Jahr 2019 erhielt er seine Fitness-Coaching-Lizenz, die er 2020 mit einer Ausdauer- und Personal-Coaching-Lizenz abrundete.
„Im Fitnessbereich spielt Ernährung eine ganz andere Rolle als im Ausdauersport“, sagt er. „Und das Problem ist, wenn wir an der Bildung nichts ändern, dann wird sich auch in der Praxis nichts ändern.“
Um neue Ansätze in Praxis umzusetzen, möchte Hoyden in naher Zukunft ein Team für Ausdauersportler gründen. Sein Ziel ist es, über die Zusammenhänge von Ernährung und Training aufzuklären. „Ich möchte meine Erfahrungen weitergeben und Veränderung bewirken.“