„Es gibt keinen anderen Sport, den ich so sehr liebe. Ich mag es, in der Natur zu sein und mich inspiriert zu fühlen,“ sagt Meg Lewis-Schneider. Für die 26-jährige freiberufliche Journalistin aus Kanada ist dies Laufen.
„Als Kind konnte ich mich nicht für eine Sportart entscheiden, weil ich sie alle mochte.“ Erst nachdem Meg ihr Studium im Bereich Rundfunkjournalismus abschloss, fing sie mit dem Laufen an – nur zum Spaß. Aber als sie begann, auch an Wettkämpfen teilzunehmen, wurde das Laufen schnell mehr als nur ein Hobby. „Ich habe so hart trainiert und konnte mich bei jedem Wettkampf verbessern. Ich war völlig begeistert.“
Meg war von Anfang an extrem erfolgreich, lief eine Bestzeit nach der anderen, darunter auch einige schnelle Elite-Normzeiten. Im Jahr 2018 lief sie beim Victoria-Halbmarathon auf der Vancouver Island in Kanada ihre Bestzeit von 1:15h – nur drei Jahre nach ihrem Halbmarathon-Debüt.
„So oft, wenn wir in etwas richtig gut werden, dann fangen wir an zu denken: OK, was kann ich noch tun, um mich zu verbessern?“, sagt Meg. Daher begann sie, ihre Trainingsroutine mit Krafttraining und Yoga aufzufrischen, und beschloss, ihre Ernährung umzustellen.

Doch dann bekam sie eine Stressfraktur im Kahnbein des Fußes, wodurch sie zu einer Trainingspause gezwungen wurde. „Ich hatte keine Ahnung, was die Ursache für die Fraktur war, und ich dachte einfach, das harte Training und ständige Ausreizen der körperlichen Grenzen wären der Auslöser. Deshalb habe ich den Ermüdungsbruch nicht allzu ernst genommen. Ich dachte, wenn ich es einfach heilen lasse und dann wieder mit dem Laufen beginne, kann ich genau so weiter machen, wie ich es tat.“
Aber die Kahnbein-Stressfraktur blieb nicht die einzige. Wenige Zeit später reihten sich auch Frakturen im fünften Mittelfußknochen, Kreuzbein und Schenkelhals dazu. Nach ihrer dritten Stressfraktur am Anfang dieses Jahres fing sie an, nach Gründen zu suchen.
Im Gespräch mit einem Ernährungsberater und einem Sportarzt wurde ihr klar, dass die Ermüdungsbrüche nur die Spitze des Eisbergs waren. Darunter gab es eine Reihe weiterer Probleme: relatives Energiedefizit (RED-S), geringe Knochendichte und Amenorrhoe, das Ausbleiben des Menstruationszyklus. All diese Faktoren zusammen bilden das Female Athlete Triad – zu Deutsch die Triade der sporttreibenden Frau. Die Kombination der einzelnen Symptome bleibt oft unerkannt, weil sie subtil sind und auch als Nebenwirkung von hartem Training auftreten können.
Als Meg ihre Ernährung umgestellte und beschloss, sich vegan zu ernähren, nahm sie nicht die gleiche Menge an Energie auf, die sie durch den Sport verbrauchte. Dadurch geriet sie in einen relativen Energiemangel im Sport, abgekürzt auch RED-S genannt. „Ich bewegte mich auf einem schmalen Grat. Denn je mehr man läuft oder je mehr Ausdauersport man macht, desto weniger Appetit hat man,“ sagt Meg.
Während ihre Bestzeiten auf die zehn und 21 Kilometer immer schneller wurden, nahm sie auch weiter Gewicht ab. Ihre Teamkollegen wiesen sie darauf hin, dass sie abgenommen hatte und zu dünn aussah, aber sie nahm ihre Meinung nicht ernst. „Ich dachte, ich sehe so aus, weil ich mehr trainiere und schneller bin.“
Der Schaden, der entstehen kann, wenn das Energiedefizit im Sport bestehen bleibt, zeigt sich erst später. „Ich habe mir ein eigenes Loch gegraben, obwohl ich all diese Anzeichen und Warnungen hätte ernst nehmen können,“ sagt Meg.
Wenn der Körper über längere Zeit einer Unterversorgung mit Energie oder Übertraining ausgesetzt ist, werden nicht überlebenswichtige Prozesse heruntergefahren und die Knochengesundheit negativ beeinträchtigt. Das bedeutet zum Beispiel, dass das Immunsystem geschwächt und die Ruheherzfrequenz niedrig ist. Bei Frauen kann es zum Ausbleiben der Periode kommen. Bei Meg blieb dieses Warnzeichen allerdings aus.

„Ich war in RED-S und wusste es nicht, weil ich zu der Zeit die Pille genommen habe. Das verdeckt das Problem, weil die Periode trotzdem kommt. Aber mir war nicht klar, dass sie eigentlich nur fake war,“ sagt Meg.
Antibabypillen sind eine übliche Behandlung bei Amenorrhoe, weil sie die Periode zurückbringen. Verglichen mit dem natürlichen Hormonsystem des Körpers ist die Pille jedoch nicht so effizient beim Aufbau und Erhalt der Knochendichte. Das Hormon Östrogen ist sowohl bei Frauen, als auch bei Männern ein entscheidender Regulator für den Knochenstoffwechsel. Aber wenn ein niedriger Östrogenspiegel unentdeckt bleibt, weil er hinter einem „künstlichen“, durch die Pille ausgelösten Menstruationszyklus versteckt wird, kann dies verheerende Auswirkungen auf die Knochendichte haben.
„Man erkennt die Folgen zunächst nicht, weil es eine Weile dauert, bis der Schaden sichtbar wird,“ sagt Meg. Denn das dritte Symptom des Female Athlete Triad, eine geringe Knochenmineraldichte, entwickelt sich über mehrere Jahre hinweg. Und wenn es einmal erkannt wird, ist es bereits zu spät, um die notwendigen Änderungen in der Ernährung und im Training vorzunehmen. „Es wird keine vier Monate dauern. Es wird auch nicht ein oder zwei Jahre dauern, um den entstandenen Schaden rückgängig zu machen.“
Meg lernte das auf die harte Tour, als sie nach ihrer Sakralstressfraktur im Frühjahr wieder ins Training einstieg. „Im Juli bekam ich meine Periode wieder und ich hatte die Pille abgesetzt. Ich dachte, ich sei gesund und kann wieder so laufen, wie ich es von früher gewohnt war.“
Noch im selben Monat fing sie wieder mit dem Laufen an, nur um einen Monat später wegen der nächsten Stressreaktion aussetzen zu müssen. Da sie zu dem Zeitpunkt sechs Monate lang am Aufbau ihrer Knochendichte gearbeitet hatte, war die Diagnose zunächst schockierend und unerwartet. Aber Meg sieht diese Reihe von Verletzungen auch als Chance.
Weil die Pandemie viele Freizeitbeschäftigungen einschränkte, musste auch Meg sich anderen Interessen und Hobbies zuwenden. „Während meiner anderen Verletzungen bin ich ins Schwimmbad gegangen und war Radfahren. Aber dieses mal bin ich freundlicher zu mir selbst. Ich muss nicht wie eine Maschine Alternativtraining machen, um mich gut zu fühlen,“ sagt sie.

Stattdessen entdeckte Meg, dass sie gerne backt und Zeit mit Freunden verbringt, weil es ihr hilft, positiv zu bleiben. Sie liebt gute Musik und „gratitude journaling“, bei dem man jeden Tag fünf Dinge aufschreibt, über die man dankbar ist. „Selbst in schwierigen Zeiten gibt es immer noch so viel, wofür wir dankbar sein können,“ sagt Meg. Neben Spaziergängen in der Natur sind es auch inspirierende Bücher und Podcasts, die sie sowohl durch die Pandemie, als auch durch die Verletzung bringen.
„Manchmal braucht es all diese Rückschläge oder Misserfolge, um wirklich zu lernen. All dies ist Teil des Lernprozesses,“ sagt Meg. „Die wichtigste Lektion für mich ist, dass ich vieles langsamer angehen muss und geduldiger und mitfühlender mit mir selbst sein muss.“
Denn um gesund zu laufen, braucht es mehr als einen regelmäßigen Trainingsplan. Es braucht auch eine gute Ernährung, genügend Ruhetage und die Fähigkeit, auf den Körper zu hören. Auf ihrem Blog schreibt Meg: „Ich habe aus meinen Rückschlägen viel mehr gewonnen als aus jedem Sieg. Ich habe vielleicht zu viele Fehler gemacht und viel zu viele Verletzungen durchgemacht, aber ich lasse mich nicht entmutigen.“
Eines von Megs größten Zielen für die Zukunft ist es, wieder verletzungsfrei laufen zu können. „Ich habe so viel Feuer in mir, und wenn meine Knochengesundheit wiederhergestellt ist und ich völlig gesund bin, möchte ich wieder laufen und beweisen, dass ich viel besser sein kann als die frühere Version von mir selbst.“
